By Nathalie Buschor, Executive Coach & Psychotherapist
Leadership heute: erklären statt beschweren?
Lektionen aus der Biografie von Tidjane Thiam
Es gibt ein bekanntes Führungsprinzip, das einst auch im britischen Königshaus zitiert wurde:
„Never complain, never explain.“
(Niemals klagen, niemals erklären.)
Ich bin anderer Meinung.
Wenn es mit Würde geschieht, sollten Führungskräfte sehr wohl erklären – gerade weil sie als Vorbilder dienen. Sie sollten teilen, wie sie zu der Person wurden, die sie heute sind: wie sie erfolgreich waren – und wie sie gescheitert sind.
Die Herausforderung liegt darin, dies mit Klarheit und Eleganz zu tun – etwas, das nur durch tiefe Selbstreflexion und ein bewusstes Verständnis der eigenen Biografie möglich ist. Unsere Kindheit, Ausbildung, Hobbys und Studienjahre prägen uns. Ebenso frühe Verletzungen – manche geheilt, andere verborgen oder verdrängt. All diese Erfahrungen beeinflussen leise unsere Ambitionen, unseren Führungsstil und unser Privatleben.
In über 20 Jahren Coaching mit Führungskräften habe ich eine zentrale Wahrheit immer wieder gesehen:
Nichts hilft Leaders so sehr, sich selbst zu verstehen, wie der Blick darauf, woher sie kommen und wie sie zu der Person wurden, die sie heute sind.
Menschen mit großen Karrieren tragen oft bemerkenswerte Eigenschaften in sich. Viele verbinden intellektuelle mit emotionaler Intelligenz. Manche sind Frauen in männerdominierten Branchen. Manche fühlen sich „zu klein“ oder „zu groß“. Andere stammen aus einfachen Verhältnissen, haben im Spitzensport brilliert oder sind zwischen Kulturen aufgewachsen. Diese Einzigartigkeit lässt sie hervorstechen – aber sie ließ sie oft schon früh im Leben fremd oder einsam fühlen.
Dann gibt es die tieferen Geschichten: Klienten, deren Eltern im Gefängnis waren (wie bei Tidjane Thiam), die als Flüchtlinge aufwuchsen oder mit schwer kranken Eltern lebten. Solche Erfahrungen tragen schwere emotionale Lasten – und formen doch oft außergewöhnliche Resilienz. Sie machen stark, hinterlassen aber auch Narben. Wahres Executive Coaching bedeutet manchmal, diese verborgenen Geschichten noch einmal aufzusuchen: um zu verstehen, was uns geprägt hat, um zu heilen, was noch schmerzt, und um es in eine Quelle von Kraft – statt Scham – zu verwandeln.
Die Verbindung zu Tidjane Thiams Biografie
Tidjane Thiams Geschichte zeigt diese Spannung. Neben Härten hatte er auch außergewöhnliche Ressourcen: eine einflussreiche Familie, herausragende Intelligenz, eine Eliteausbildung in Frankreich und Zugang zu Europas wichtigsten Netzwerken. Und doch blieben alte Wunden bestehen.
Rassismus in Frankreich und in der Schweiz ist real und hart – aber ich habe Klienten mit ähnlichem Hintergrund gesehen, die ganz unterschiedlich damit umgehen. Das weist auf etwas über Intelligenz und Diplome hinaus: auf die Bedeutung eines tiefen Verständnisses kultureller Nuancen in Führung.
Frankreich, die Schweiz und die USA haben jeweils eigene Führungs-Codes – subtil, aber wirksam. Ich habe dies selbst erfahren, als ich in Paris, London und New York lebte und arbeitete. Diese kulturellen Unterschiede prägen Wahrnehmung, schaffen Bilder von uns, derer wir uns oft nicht bewusst sind – und die wir deshalb aktiv steuern müssen.
Als Absolventin einer französischen Grande École und später im Investment Banking tätig, kann ich mit Sicherheit sagen: Der französische Zugang zu Führung, Management und sogar Privatleben unterscheidet sich grundlegend vom schweizerischen.
Hätte Thiam dabei Unterstützung gehabt, diese Nuancen wirklich zu verstehen und sich anzupassen, hätte sich seine Geschichte bei der Credit Suisse womöglich anders entwickelt. Zu oft glauben internationale Führungskräfte, dass Intelligenz und akademische Brillanz ausreichen, um neue Umfelder zu meistern. Doch je höher man steigt, desto wichtiger werden vertrauensvolle Berater – Sparringpartner, die Annahmen hinterfragen, Verhalten analysieren und den Spiegel vorhalten.
Unterschätzen Sie nie die Kraft, nicht nur die eigene Biografie zu verstehen, sondern auch, wie sie sich im jeweiligen kulturellen Kontext übersetzt.
Das Wesen von Leadership
Leadership erfordert heute mehr als reine Intelligenz. Es braucht eine Balance aus emotionaler und intellektueller Intelligenz, Demut und den Willen zu dienen. Ohne Selbstreflexion trocknen Führungskräfte aus. Sie verlieren Motivation und Verbindung – zu anderen und zu sich selbst. Sie laufen Gefahr, zu Klageführern zu werden, unfähig zu begreifen, warum sich die Welt gegen sie wendet.
Führen zu dürfen, ist ein Privileg. Es ist eine Freude, wenn man die Verantwortung wirklich wertschätzen kann – das Vertrauen, ein Unternehmen, ein Team oder sogar eine Kultur leiten zu dürfen.
Am Ende ist Führung einfach, aber niemals leicht:
Diejenigen, die es schaffen, ihre Vergangenheit in etwas Sinnvolles für die Gegenwart zu verwandeln, sind es, die mit Freude, Motivation und Mitgefühl führen – für sich selbst und für andere.
Über die Autorin:
Nathalie Buschor ist Executive Coach und Psychotherapeutin in Zürich. Sie verbindet Tiefenpsychologie, verhaltensorientierte und systemische Ansätze mit langjähriger Führungserfahrung im internationalen Finanzwesen.
👉 www.buschor.biz
Ihr Buch über digitale Führung widmet sich genau dieser Herausforderung – einer Erkenntnis, die im Silicon Valley längst angekommen ist: Gute Führung ohne persönliche Entwicklung ist eine Illusion. Gerade in anspruchsvollen Situationen liefert sie sonst nicht das, was wirklich gebraucht wird.
By Nathalie Buschor, Executive Coach & Psychotherapist
Coaching, self-help books, and the cult of self-optimization are trending. Hardly any executive hasn’t heard the advice: “Set clear goals, never give up, believe in yourself, stay positive – and everything will be fine.”
Sounds great. Rarely works. And, of course, the self-help industry thrives on that promise. What often remains is the nagging feeling of never being enough – of constantly getting something wrong. This is exactly the illusion that Liz Strömquist dismantles brilliantly in The Oracle: witty, sharp, historically grounded, and scientifically informed.
From Fortuna to “Fake It Till You Make It”
In ancient Greece, happiness was in the hands of Tyche, the goddess of fortune, later known as Fortuna to the Romans. Capricious and unpredictable, she decided who thrived and who didn’t. Today, happiness is seen as pure self-responsibility: a never-ending to-do list that we are expected to tick off. Small wonder so many feel overwhelmed – and why more and more young people break under the weight of unrealistic expectations.
Happiness, Coaching, and Reality
For over 20 years I have been working with executives, high achievers, and entrepreneurs. After reading Strömquist’s book, I even briefly considered rebranding – the word “coaching” suddenly felt uncomfortably close to the self-help industry.
But then I reminded myself: my approach is different. I don’t provide quick fixes. I work with Positive Psychology, which – unlike Instagram slogans – draws on the wisdom of the ancient Greeks. There, happiness meant not “always think positive,” but the pursuit of a flourishing life: learning to live with chance, fate, and uncertainty.
I also integrate Analytical Psychology after C.G. Jung, which views life as an organic process of growth – shaped not only by success but also by contradictions and setbacks. And I draw from Buddhist psychology: mindfulness, humility, and the art of meeting life as it is, rather than trying to control it.
Hard Work, Not Quick Fixes
This is hard work. No seven-step plan, no quick hacks, no supplement promising instant results. It means learning to treat yourself with more kindness, to accept imperfection, and to value your world despite its flaws. That’s precisely where most self-help books fall short: they force happiness into formulas and ignore the complexity, paradox, and sometimes painful unfairness of real life.
Rainer Maria Rilke captures it far better than any “Believe in yourself” poster:
“I live my life in widening circles
that reach out across the world.
I may not complete the last one,
but I give myself to it.”
What This Means for Executives
For leaders, entrepreneurs, and high performers, the message is clear: happiness, resilience, and leadership maturity do not come from quick fixes. They require genuine reflection – on yourself, on contradictions, and on change.
This is where Executive Coaching in Zurich and internationally makes a difference: creating clarity, building resilience, making courageous decisions – while leaving space for authenticity, meaning, and yes, even humor.